Geleise, welche sich auf einen Rangiergelände verzweigen

Symbolbild: F&E/ Engineering von vernetzten Systemen, z.B für IoT (Internet der Dinge) Wir machen Digitalisierung unserer Produkte! Welchen Weg sollen wir wählen?

Lesezeit 3 min

Industrie 4.0, Internet der Dinge, IoT, IIoT, Digitalisierung: die Idee hat viele Namen. Nur was konkret bedeutet es für Sie? Für Ihre Produkte? Viele "Lösungen" die angeboten werden sind vom Typ: "hier die Lösung, wo ist das Problem?". Sollten Sie die Digitalisierung den Technologen überlassen? Dies ist wohl der grösste Fehler, der zu teuren und am Ziel vorbeischiessenden "Lösungen" führt.

Wir finden, dass das Internet der Dinge (IoT: Internet of Things) häufig weniger eine Frage der technischen Lösung ist, sondern eine Frage von Produkten, Funktionen und Dienstleistungen, welche man anbieten will. Von internen Prozessen und Organisationsfragen, welche angepasst werden müssen. Von neuen Erträgen, welche bestehende Gewinne ablösen. Kurz: von Geschäftsmodellen und Geschäftsstrategien.

Sobald diese gefunden sind, ist es meist vergleichsweise einfach, eine technische Lösung zu implementieren. Vor allem auch, weil die Digitalisierung eigentlich eine Evolution ist, keine Revolution. Die technischen Voraussetzungen sind alle da, man kann sich im Baukasten bedienen.

Ziele und Planung

Digitalisierung zu machen, nur weil es alle tun halte ich für Verschwendung. Daher macht es Sinn, zuerst festzulegen:

Was sind die Ziele, die wir erreichen wollen? Welche Schritte planen wir zu gehen? Mit welchen Partnern? Was lassen wir uns diese Schritte kosten?

Bei der Definition der Ziele macht es Sinn, sich zu überlegen, ob  wirklich die künftigen Bedürfnisse der Kunden im Zentrum stehen. Denn wenn die Technologie im Zentrum steht, dann geht die Innovation an den Kunden vorbei, d.h. es gibt keinen Geschäftsfall. Wenn die aktuellen Bedürfnisse im Zentrum stehen, dann handelt es sich eher um eine Produktverbesserugn statt eine echte Innovation.

Also klassische Projektplanung, z.B. basierend auf den Schritten unten und im nächsten Blog. Wichtig sind hier zwei Punkte: klare Absichten, d.h. welche Ziele wollen wir erreichen und eine schnelle Anpassung der Ziele und Planung, sobald es neue Erkenntnisse gibt.

Geschäftsmodelle: sonst geht gar nichts

Die wichtigste Frage für Digitalisierung ist immer: Wer bezahlt das? Wie soll das Geschäftsmodell aussehen? Welches Kundenproblem kann ich lösen zu einem Preis, den der Kunde bereit ist, zu bezahlen?

Dafür gibt es einige Methoden und Literatur, uns gefällt am besten der Business Model Navigator und vor allem der IoT Business Model Builder. Dieser letztere enthält IoT-spezifische Erweiterungen für die Geschäftsmodell-Muster:

  • Digital aufgeladene Produkte:
    • Physisches Freemium: Das physische Produkt wird mit einem kostenlosen digitalen Service verkauft (kostenlose Apps, Software Software-Updates...); es wird davon ausgegangen, dass einige Kunden bereit sind, für zusätzliche Premium-Dienste zu zahlen.
      Z.B. eine kostenpflichtige detailliertere Datenaufzeichnung für eine Solaranlage.
    • Digitales Add-on: Das physische Produkt wird sehr preiswert verkauft, dann können die Kunden verschiedene digitale Dienste mit hohen Gewinnspannen erwerben oder aktivieren (Software, zusätzliche Funktionalitäten...).
      Z.B. App-Käufe in Mobiltelefonen, aber auch Autos und Messgeräten.
    • Digitaler Lock-In: Das physische Produkt wird so geschützt, dass nur Verbrauchsmaterialien, Dienstleistungen, Software und Zusatzgeräte des Herstellers verwendet werden können (um die Kompatibilität einzuschränken, Fälschungen zu verhindern...).
      Z.B. Drucker in denen nur Patronen des Herstellers funktionieren.
    • Produkt als Verkaufsstelle: Das physisches Produkt bietet digitale Verkaufs- und Marketingdienste; der Kunde kann die Inhalte entweder direkt oder über intelligente Geräte (z. B. Tablets, Telefone) konsumieren.
      Z.B. jedes Objekt mit digitaler Werbung, mit QR-Code.
    • Objekt-Selbstbedienung: Das physisches Produkt kann selbstständig Bestellungen online aufgeben.
      Z.B. kann eine Heizung automatisch und selbstständig Öl zum Nachfüllen des Tanks bestellen.
    • Fernnutzung und Zustandsüberwachung: Das physische Produkt kann Daten über seine Nutzung, seinen Zustand oder seine Umgebung übermitteln.
      Z.B. alle Arten der vorausschauenden Wartung, alle "pay per use"/ "power by the hour" Produkte
  • Sensor als Dienstleistung: Nicht das datenerzeugende Produkt und die daraus resultierenden Dienstleistungen, sondern die Daten selbst sind die Schlüsselressource und die primäre Währung in diesem Muster. Folglich werden die gemessenen Daten nicht mehr nur für eine Anwendung genutzt, sondern innerhalb des IoT-Ökosystems geteilt und gehandelt, was völlig neue Anwendungs- und Servicemöglichkeiten ermöglicht.
    Z.B. die Nutzung von Ortungsdaten von Mobiltelefonen, um Verkehrsstaus zu detektieren.

Wenn Sie obige Modelle (oder auch andere) auf Ihr Produkt anwenden wollen, ist es wichtig, dass Sie alle Nutzergruppen ("Stakeholder") in Ihre Überlegungen einbeziehen. Da hilft eine möglichst offene Liste der "vom Produkt Betroffenen", welche Sie in einem Brainstorming erstellen.

Nur stellt sich da die nächste Frage: Wie schaffe ich die Verbindung zu meinen Produkt? Vom abstrakten Geschäftsmodell zu den Produkteigenschaften? Nutzen Sie dazu die Bausteine für die Digitalisierung Ihrer Produkte:

Bausteine für eine Lösung

Die Digitalisierung verleiht Ihren Produkten neue Fähigkeiten, die neuen Nutzen stiften können oder Kosten einsparen.

Das Ding kann:

  1. elektronisch mitteilen, was es ist (Typ, Seriennummer, Version...): Identifikation
  2. seine Lage oder Position ermitteln: Lokalisierung
  3. eigene Zustände oder Umgebungswerte messen: Messung
  4. Zustände und Messwerte speichern: Speicherung
  5. Zustände und Messungen verarbeiten: Signalverarbeitung
  6. Aktoren (Motoren, Relais...) betätigen: Betätigung
  7. Energie für seinen Bedarf erzeugen: Versorgung
  8. selbst direkt mit dem Benutzer, Servicetechniker... interagieren: Benutzerschnittstelle
  9. kommunizieren, mit den Smartphone, mit dem Tablet des Service-Technikers...: Kommunikation
  10. kommunizieren mit mit anderen Dingen, dem Internet...: Vernetzung

Die Komplexität und dadurch auch der Aufwand nimmt von oben nach unten tendenziell zu, für eine erfolgreiche, möglichst risikoarme Implementation fangen Sie daher am besten mit den ersten Fähigkeiten an, z.B. Identifikation der Produkte oder Ersatzteile mit einem QR-Code und bauen dann die Fähigkeiten mit mehr Erfahrung und Feedback aus dem Markt aus.

Aus den Grundfähigkeiten lassen sich auch komplexere Funktionen zusammenbauen. Das Ding kann:

  • einzeln über das Internet angesprochen, konfiguriert und angepasst werden: Adressierung
  • seinen Zustand oder der eines anderen Dings überwachen: Überwachung
  • Messungen und Zustände mit anderen Dingen austauschen und nach den Resultaten Aktoren betätigen: Kooperation
  • ...

Aber... das gibt es alles ja schon werden Sie sagen. Genau, und das ist das Gute daran. Sie können Ihre Produkte ohne grosse technische Risiken schrittweise digitalisieren: Evolution statt Revolution.

Erlös: was bringt uns das?

Im  nächsten Schritt könnten Sie starten mit der Implementation, mit Technologien, Prototypen, MVP's. Oder würde es nicht zuerst Sinn machen, sich nun anhand des sich vorgestellten Produktes nochmals den Erlös, das Revenue-Modell zu überlegen? Abzuschätzen, wieviel die realisierte Idee uns einbringt?

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Erlös von solchen Lösungen. Am offensichtlichsten natürlich, wenn wir einen Nutzen für den Kunden generieren, den er bereit ist zu bezahlen. Das kann ein direkter Nutzen sein oder auch einfach mehr Komfort, besserer Service... Weniger offensichtlich sind Einsparungen durch Optimierungen unserer eigenen Abläufe, v.a. in Produktion, Service und Support. Verkauft werden müssen beide, entweder den Kunden oder intern den von den Änderungen Betroffenen. Und beiden sollten Sie die Entwicklungsaufwände plus Marketing, Applikation etc. für die digitalisierte Lösung gegenüberstellen.

Und übrigens: Preventive Maintenance, die immer wieder als erstes Beispiel für Digitalisierung hinzugezogen wird ist eine der schwierigsten Disziplinen. Einerseits ist sie technisch nicht ganz einfach, andererseits ist es am schwersten, damit eine Rendite ("ROI") zu erzielen.

Wenn Sie nun sehen, dass der Digitalisierungsschritt auch finanziell Sinn macht, dann machen Sie sich Gedanken über die Implementation.

Andreas Stucki

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